Samstag, 18. April 2015

Wahnsinn? Ach was: Lehrplan!

Wie wir alle mehrfach täglich hören oder - die's noch können - lesen, leben wir in einer Wissensgesellschaft. Der wichtigste Rohstoff steckt nicht in unseren Böden, sondern in unseren Köpfen. Beziehungsweise den Köpfen unserer Kinder. Allerdings sieht es so aus, als würden auch da die Bergwerke stillgelegt.

Beispiel gefällig: In der dritten Klasse lernen unsere künftigen Rohstoffproduzenten die schriftliche Subtraktion - nach dem sogenannten Abziehverfahren. Ein als "Elternbrief" der Mathematiklehrerin getarntes Formblatt des Klettverlags (cui bono) erklärt auch, warum "wir" uns für dieses Verfahren entschieden haben:

"Das Abziehverfahren
  • wirkt sich positiv auf das Verständnis der Rechenoperation aus,
  • entspricht der Vorstellung des Subtrahierens als „Wegnehmen“, das Zwischenergebnis wird am Ende der Rechnung aufgeschrieben und nicht in der Mitte wie beim Ergänzungsverfahren
  • kann handelnd mit Material (Rechengeld) nachvollzogen werden."
Soweit die Lehrerin der Klettverlag.

Klingt ja vielversprechend, wenn auch nicht unbedingt verständlich. Oder wann haben Sie beim Subtrahieren jemals ein Zwischenergebnis in die Mitte geschrieben? Wie auch immer: Schauen wir uns mal an, wie dieses Verfahren funktioniert. Als Beispiel eine nicht besonders ungewöhnliche Rechenaufgabe: 


Beim Abziehverfahren wird von oben nach unten gerechnet, die Zahlen voneinander abgezogen. Um die "Stärken" des Systems zu zeigen, sind die Denkschritte durchnummeriert.


1. Denkschritt: "4-5. Das geht nicht!"
Wesentliche Eigenschaft des Abziehverfahrens ist die "Endbündelung". Ein Zehner kann man zu 10 Einern "entbündeln". (Wohlgemerkt: Wir sind in der dritten Klasse. Ich bin 47 Jahre alt und habe das Wort "entbündeln" heute zum ersten Mal benutzt. ) Hat man dann entbündelt, so kann sich die Einerstelle einen Zehner leihen und dann kann mit der so erhöhten Einerstelle weitergerechnet werden.




2. Denkschritt: "Ich geh mir mal was leihen" (Der Verdacht liegt nah, dass diese Rechenmethode in sozialdemokratisch regierten Bundesländern besonders beliebt ist.)

3. Denkschritt: "Da ist aber eine Null. Von einer Null kann ich mir nichts leihen. Ich muss weitersuchen" (Das muss eine sozialdemokratische Rechenmethode sein)

Das Leihen geht weiter. In diesem Fall mit dem gleichen Ergebnis. Wir finden einfach keinen Kreditgeber:


4. Denkschritt: "Schon wieder eine Null. Ich muss weitersuchen"
Man rutscht so lange die Zehnerpotenzen nach oben, bis man einen edlen Spender gefunden hat.



Hurra. Wir haben jemanden gefunden, der uns etwas geben kann. Jetzt wird entbündelt!



5. Denkschritt: "Den 1000 lösen wir auf. Also durchstreichen"
6. Denkschritt: "Dann habe ich zwar keinen 1000er mehr (Null hinschreiben)"
7. Denkschritt: "Aber 10 Hunderter." Das Ergebnis nach 7 Denkschritten sieht dann wie folgt aus:


8. Denkschritt: "Noch schnell die 0 Hunderter streichen, die sind ja jetzt 10 draus geworden." 
Aber eigentlich wollten wir ja was anderes machen. Nämlich was für die Zehnerstelle leihen. Das tun wir jetzt:



9. Denkschritt: "Von den 10 Hundertern nehme ich einen und hab dann nur noch 9."
10. Denkschritt "Der geliehene Hunderter sind 10 Zehner."
11. Denkschritt: "Nicht vergessen: Die Null durchstreichen."

Falls sich noch jemand erinnert: Ursprünglich wollten wir nur 4-5 rechnen. Dazu kommen wir jetzt. Nicht sofort. Aber demnächst. Zuerst mal erfolgt der letzte Leihvorgang:


12. Denkschritt: "Von meinen 10 Zehnern spendiere ich einen den Einern."
13. Denkschritt: "So werden aus 4 Einern 14 Einer."
14. Denkschritt: "Die 10 Zehner werden zu 9 Zehnern."
15. Denkschritt: "Durchstreichen nicht vergessen!"

Jetzt geht's aber los mit dem Rechnen:



16. Denkschritt: "14-5 kann ich rechnen. Das gibt 9."
Die Einer wären schon mal voneinander abgezogen. Jetzt kommen die Zehner dann. Wo stehen die denn? Die Rechnung sieht zwischenzeitlich etwas wuselig aus, aber seien Sie versichert: Falls ihr Kind nicht in DIN-Schrift schreiben sollte, wird es noch viel viel schlimmer aussehen. Ach ja: Das sind ja die Zehner. Neun an der Zahl:



17. Denkschritt: "9-3 gibt 6" Und jetzt die Hunderter:


18. Denkschritt: "10 ... nein das war ja durchgestrichen 9 Hunderter minus 2 Hunderter macht 7 Hunderter"
Die 1000 können wir uns Gott sei Dank sparen, da steht ja schon die Null. Schon fertig!

Zum Vergleich: Das herkömmliche Verfahren (Ergänzungsverfahren) kommt natürlich zum gleichen Ergebnis. Allerdings sind die Schritte gleichförmiger, weniger und man kommt mit deutlich weniger Kritzelei aus:


Mehr Denkschritte. Mehr Schreibarbeit. Mehr Fehlerquellen. So bringt man den Kindern schon frühzeitig bei, Mathe mit Frust zu verbinden. Was wird wohl ein paar Jahre später passieren, wenn so eine Subtraktion nur ein Teil einer komplexen Aufgabe ist. Kein Wunder, dass uns der Nachwuchs in den MINT-Fächern fehlt. So erzieht man keine Ingenieure. So geht man nicht mit Rohstoffen um!

Dienstag, 6. Januar 2015

Künstlersozialkasse. Oder: noch eine Regelung.

Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Unternehmer (bzw. Unternehmerin*), Inhaber eines Geschäftes oder eines Internet-Startups. Sie benötigen ein Logo für Ihre Firma, Visitenkarten oder einfach nur ein Werbefoto von Ihrem Produkt oder sich selbst, können die nötige Gestaltungsarbeit jedoch nicht selbst leisten.

Selbstverständlich lassen Sie diese Arbeiten NICHT schwarz von guten Bekannten erledigen. Sie beauftragen einen selbstständig arbeitenden Gestalter oder Fotografen und zahlen, was auf der Rechnung steht. Alles korrekt. Wirklich alles?

Nicht ganz – denn unter Garantie haben Sie vergessen, die Künstlersozialabgabe in Höhe von derzeit 5,2% (Stand 2015) des Nettobetrages an die Künstlersozialkasse zu zahlen.

Künstlersozialwas? Die Künstlersozialkasse ist ein Teil der gesetzlichen Sozialversicherung. Selbstständig arbeitende Künstler und Publizisten sind dort pflichtversichert und zahlen das Pendant zu den Arbeitnehmerbeiträgen. Der Arbeitgeberanteil wird vom Auftraggeber bzw. Verwerter bezahlt. Von Ihnen.

Wer Künstler und Publizist ist, wird dabei recht willkürlich definiert. Layouter und Art-Directoren gehören dazu. Reinzeichner und Bildbearbeiter nicht. Webdesigner ja - HTML-Programmierer nein. Die Künstlersozialkasse legt auch fest, wer als Auftraggeber gilt. Kurz gesagt: Jeder, der einen Künstler beschäftigt. Es sei denn er tut es zum Privatvergnügen. Sie mit Ihrem Logo, Visitenkarte oder Foto sind auf jeden Fall abgabepflichtig.

Man kann es gut finden, dass unser Staat hilft, 179.130 (vielleicht doch nicht ganz so) selbstständigen Künstlern und Publizisten Zugang zum Sozialsystem zu verschaffen. Man kann sich aber auch fragen, warum das für Künstler gilt, für andere Selbstständige jedoch nicht. Wer seinen Lebensunterhalt damit verdient, anderer Leute Gartenhecken zu schneiden, muss für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu 100% selbst sorgen. Wenn er statt dessen als bildender Künstler Buxbäume in Skulpturen verwandelt, genießt er die Vorzüge der Künstlersozialkasse. Wer auf Zimmerdecken Wolken und Engel malt, gehört dazu. Wer sie einfach nur weiß streicht, nicht.

Wer dann schon beim Fragen ist, kann sich über weitere Ungereimtheiten wundern:

So zum Beispiel wird die Künstlersozialabgabe auch für Leistungen von Künstlern fällig, die – aus welchen Gründen auch immer – gar nicht über die Künstlersozialkasse versichert sind. Solidarität oder Sozialismus?

Oder warum muss jede Rechnung eine Unzahl von Angaben enthalten, damit sie wirklich gültig ist. Der hilfreiche Hinweis „Achtung: Auf diesen Betrag müssen Sie 5,2% Künstlersozialabgabe abführen“ ist jedoch nicht vorgesehen.

Aber die KSK setzt noch (mindestens) einen drauf: Die Künstlersozialabgabe wird auf ALLE an selbstständige Künstler und Publizisten bezahlten Entgelte fällig. Dazu gehören auch sämtliche in den Rechnungen aufgeführten Nebenkosten. Wenn Sie Ihr Firmenlogo in Gold erstellen lassen wollen, und das Material (derzeit ca. 1.000 € pro Unze) auf der Rechnung des Künstlers auftaucht, müssen Sie auch 5,2% für das verwendete Gold bezahlen. Also: Lieber in Blei arbeiten lassen oder das Material selbst kaufen und so dafür sorgen, dass auf der Rechnung des Künstlers nur das Notwendigste, die Gage, steht.

„Oh verdammt!“ wird jetzt so mancher denken. „Ich habe zwar kein Firmenlogo aus Gold, aber eine Website, Visitenkarten, Flyer, Pressetext etc. gestalten lassen. Was soll ich tun?“ Derzeit werden jährlich ca. 70.000 Unternehmen überprüft, ob sie innerhalb der letzten 5 Jahre ihrer Zahlungspflicht nachgekommen sind. Das sind weniger als 10% aller in Frage kommenden Unternehmen. Sie können es also drauf ankommen lassen. Grob die Hälfte bleibt ungeprüft. Ansonsten sollten Sie bis zum 31.03. die Summe der im Vorjahr von Ihnen bezahlten Entgelte der Künstlersozialkasse melden. Sie können auch rückwirkend für die letzten 5 Jahre in (Nach-)Zahlungsbedarf anmelden. Im Zweifelsfall erhebt die KSK monatliche Versäumniszuschläge in Höhe von 1% des Rückstandes.

Was Sie auf jeden Fall tun sollten: Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater. Wichtiger jedoch: Machen Sie sich bewusst, dass Sie Teil einer Demokratie sind. In welche Richtung diese sich entwickelt, können Sie selbst mitbestimmen. Wissen und die Verbreitung von Wissen ist der erste Schritt, die Dinge zu ändern. Vielleicht sollten Sie sich auch gar nicht so viele Gedanken über die KSK im speziellen machen. Denken Sie vor allem darüber nach, ob es prinzipiell in Ordnung ist, wenn an allen Ecken staatlicherseits eingegriffen wird. Selbst wenn es einer vordergründig guten Sache wie der „Selbstständigkeit“ einiger Künstler und Publizisten dient.

* im Gegensatz zu vielen anderen ist mir der Unterschied zwischen grammatikalischem und biologischen Geschlecht bekannt und bewusst. Wer es unbedingt haben muss, darf sich an jede (grammatikalisch) männliche Wortform ein -in, ein Binnen-I, ein Herzchen oder sonst was drandenken. Ich tu’s nicht.

Samstag, 7. Juni 2014

Nomen est ...

Wenn man der Meinung ist, mit der Steuer - so wie sie ist - sei alles in Ordnung und nur die, die sie hinterziehen seien Gangster und nicht auch die, die sie erheben - warum nennt man die elektronische Steuererklärung dann Elster?

Dienstag, 1. April 2014

Benutzerfreundlichkeit

Das Thema Benutzerfreundlichkeit und intuitive Benutzeroberfläche beim Samsung Galaxy ... ihr wisst schon ... wollte ich so professionell wie möglich angehen. Also habe ich das Tablet einem Team von Experten für intuitive User Interfaces gegeben: meinen Töchtern (5) und (7). Hier die Management-Summary ihrer Untersuchung: Sie haben das Tablet nach 2 Minuten weggelegt. Für immer.

Ich will versuchen das zu erklären, ohne mich in Details zu verlieren. Eigentlich ist Benutzerfreundlichkeit etwas ganz Einfaches: Man muss freundlich sein zu seinem Benutzer. Das war's auch schon. Aber dazu muss man ihn verstehen. Und dazu wiederum muss man sich in seine Lage versetzen. Es gibt nämlich einen fundamentalen Unterschied zwischen Benutzer und Hersteller: Der Benutzer will das Produkt benutzen. Deshalb interessiert es ihn nicht wirklich, welche Features ein Produkt hat, sondern was er oder sie mit dem Produkt machen kann.


Ein Stift, mit dem man nicht schreiben kann. Zumindest keine E-Mails.
Ein Beispiel als pars pro toto: Der Stift. Eigentlich eine gute Idee. Ich benutze seit über 40 Jahren Stifte zum Schreiben. Warum also nicht auch für meine Computerarbeit? Hätte Samsung sich in meine Lage versetzt, hätten die Ingenieure ungefähr folgendes denken müssen: "Eine Sache, die viele Menschen mit ihren Tablets machen, ist E-Mails schreiben. Genaugenommen ist das sogar die häufigste Tätigkeit mit jedwedem Computer. Einfach eine kurze Mail mit einem Stift schreiben - tolle Idee!. Lasst uns also dafür sorgen, dass E-Mail schreiben so unkompliziert wird, wie eine Nachricht auf einen Zettel kritzeln."  Das haben sie aber nicht gedacht. Sondern eher das "Hey - das iPad hat keinen Stift. Wenn wir einen Stift an unser Tablet machen, dann haben wir ein tolles Feature, das Apple nicht hat. Lasst uns also einen Stift machen". Woher ich weiß, dass die Ingenieure Letzteres gedacht haben?

WEIL MAN MIT DEM STIFT KEINE E-MAILS SCHREIBEN KANN.

Man kann den Stift dazu benutzen, die E-Mail-Adresse des Empfängers zu schreiben. (Vorausgesetzt man gewöhnt sich daran, dass der Stift beim Schreiben immer einen Sekundenbruchteil hinterherhinkt. Ein ähnlich unangenehmes Gefühl wie beim Telefonieren seine eigene Stimme als Echo in der Leitung zu hören) Man kann auch die Betreffzeile mit dem Stift ausfüllen. Aber leider funktioniert er nicht beim wichtigsten Teil einer E-Mail. Beim Text. Super. Also kann man - ganz intuitiv - den Stift wieder zurückstecken, oder besser noch: gleich ganz wegschmeißen und wie üblich mit der Tastatur weiterschreiben.

Fazit - für Ingenieure
Denkt nicht darüber nach, was Euer Produkt alles haben und können könnte. Denkt darüber nach, was der Benutzer damit machen will. Und sorgt dafür, dass er das kann. Das ist Benutzerfreundlichkeit.

In diesem Sinne noch ein paar Tipps:

  • Wenn man ein Produkt macht, das für professionelle Anwendungen gedacht ist (das PRO in NotePRO ist ja nicht zufällig versal geschrieben - mitten im Wort ... obwohl ...), dann wär's schön, wenn man ZIP-Dateien entpacken könnte. Sowas sollte auf Betriebssystemebene funktionieren. 
  • Wenn Ihr dem Benutzer dann eine bildschirmfüllende Fehlermeldung ins Gesicht knallt, so wäre es nur intuitiv und ergonomisch, wenn man diese Fehlermeldung auch wieder per Touchscreen wegklicken kann. Wozu sonst gibt es einen Touchscreen? Zumindest ich und meine Töchter haben minutenlang auf dem Bildschirm herumgetatscht,  bis wir auf die Idee gekommen sind, dass bei Samsung noch keiner das "Fenster-schließen-Kreuzchen" kennt und wir auf die Rücktaste klicken müssen.
  • Die Rücktaste ist übrigens an der falschen Stelle. Auch wenn das ein koreanisches Produkt ist: Rückwärts ist links. Nicht rechts.


Mittwoch, 5. März 2014

Thomas und das Samsung iPad

5. März 2014.
Heute ist es angekommen. Das Samsung GALAXY NotePRO 12.2, das ich im Rahmen meiner TRND-Mitgliedschaft testen und dokumentieren werde. Eine Anmerkung zum Start: Ja, ich bin ein Apple-User. Seit Jahrzehnten. Also werden meine Beobachtungen von meinen Erfahrungen geprägt sein. Selbst wenn ich mich noch so bemühe, mein Gedächtnis zu löschen. Nichts für ungut.

Meine erste Beobachtung: der Name

"Samsung  GALAXY NotePRO 12.2". Ich will mal drüber hinwegsehen, dass 3-4 Schrifttypen und Schreibweisen (Versal, gemischt, Binnenversalien) nicht gerade elegant sind. Aber ich frage mich, wie ich das Gerät Familie und Kollegen gegenüber nennen soll. "Galaxy" - zu groß die Verwechslungsgefahr mit eventuell vorhandenen Smartphones. "NotePRO" wohl kaum - Wie klingt das denn: "Gib mal das NotePro" - ich würde mir vorkommen wie der Darsteller eines Werbespots. Meine Tochter nennt es iPad. Bin gespannt, ob ich eine Lösung für das Problem finde. Vorschläge sind herzlich willkommen.

Meine zweite Beobachtung: die Packung

Okay. Samsung kann nichts dafür, dass die Packung auf dem Boden meines Büros nahezu unsichtbar wird. Aber interessant ist die Frage schon: Warum die Holzmaserung? Im weiteren taucht dieses an sich schöne Gestaltungsmotiv gar nicht mehr auf. Die Gebrauchsanweisung ist im Altpapierlook gehalten. Das (und da ist es schon wieder, mein Namensproblem) ... Tablet ... hat eine Rückseite aus schwarzem Leder. Kein Holz. Hätte ja sein können.




Meine dritte Beobachtung: Die Kurzanleitung


Was auffällt: Samsung scheint das gleiche Problem mit der Bezeichnung zu haben wie ich. Auf über 40 Seiten taucht das Wort "Galaxy" gar nicht erst auf auf. Samsung spricht immer nur von "Gerät". Ist mir aber zu unpersönlich. Überhaupt: "unpersönlich" scheint der inhaltliche Leitgedanke der Kurzanleitung zu sein:

Man muss sich vorstellen – da gibt ein Kunde 899 Euro für ... Ding ... aus und man empfängt ihn noch nicht einmal mit einem freundlichen "Hallo".  Statt dessen folgender Begrüßungstext auf der Titelseite: "Kurzanleitung. Weitere Informationen finden Sie im vollständigen Benutzerhandbuch. Im Abschnitt "Benutzerhandbuch öffnen" in der vorliegenden Kurzanleitung erfahren Sie, wie Sie auf das Benutzerhandbuch zugreifen können".

Darauf folgt eine Doppelseite mit Disclaimern "Der Inhalt unterscheidet sich möglicherweise vom Endprodukt ..."), Kompatibilitätshinweisen und der Erklärung von Warn-, Hinweis- und anderen Symbolen. Auf Seite 4 und 5 darf man Copyright-Hinweise lesen und wird darüber informiert, dass das SAMSUNG-Logo Samsung gehört und alle anderen Marken ihren jeweiligen Besitzern. Klar.



Die Seiten 6-12 stellen dann die eigentliche Anleitung dar, die im wesentlichen aus dem üblichen Igel (welche Taste ist wo?), einem Akku-Aufladehinweis inklusive Warnung und dem Hinweis auf die Internetgebrauchsanweisung besteht. Die Seiten 13 bis 39 (!) sind dann Warnhinweise, Sicherheitshinweise (auch solche: "Halten Sie das Gerät aufrecht wie bei einem normalen Telefon"???), Entsorgungshinweise und eine Haftungsausschlussklausel.

Irgendwie hat sich das bei Apple anders angefühlt. Demnächst mehr.


Donnerstag, 1. März 2012

Der leere Blick der Profis: Klitschko/Mormeck-Pressetraining

Der Kämpfer betritt den Ring. Er gibt vor, den den Normalsterblichen sein Handwerk zu zeigen.

Brav stellt er zur Schau, was von ihm erwartet wird. Aber nicht mehr. Denn die Wahrheit – seine Wahrheit – wäre zu viel für die da unten stehen. So jemanden würden sie nicht in ihrer Mitte haben wollen.

Sein leerer Blick beim Hinausgehen beweist:  Die Jahre der Selbstüberwindung haben alles von ihm abgeschliffen, was ihn mit uns verbindet. Er ist weiter von der Welt entfernt als der Applaus jemals reichen könnte.





Freitag, 16. September 2011

Das Verbrechen

Stellen Sie sich vor, Sie hätten das erste ernstzunehmende elektrisch angetriebene Auto konstruiert. Alltagstauglich, mit Platz für vier Personen. Das ganze zu einem akzeptablen Preis. Sie hätten einen Deal mit 37 Stromanbietern in ganz Deutschland geschlossen, um Ihre zukünftigen Kunden günstig mit Ökostrom für eben dieses Auto zu versorgen. Ihre Konkurrenz (die normalweise die Zukunft des Automobils oder gleich die ganze Kategorie für sich in Anspruch nimmt) würde meilenweit hinterherhinken. Eine schöne Vorstellung, nicht wahr? So muss sich ein Held fühlen.

Stellen Sie sich außerdem vor, dass alles, was Sie jetzt noch tun müssten, um sich und ihrer dahinsiechenden, permanent von Werksschließungen, Insolvenz oder Verkauf bedrohten Marke die Zukunft zu sichern, das eine wäre: dieses Auto, diesen Durchbruch in die Welt zu schreien! Jeder soll erfahren, dass Ihre Marke nicht nur lebt, sondern förmlich Funken sprüht.

Wenn das Ihre Aufgabe wäre - würden Sie dann Millionen in die Hand nehmen und einen Spot produzieren und schalten, in dem es um Jogger, Taucher und Bergsteiger geht? So bescheuert wären Sie nie, denn niemand kann so bescheuert sein. Wirklich niemand? Schauen Sie sich das an:




Warum gehen die Opel-Arbeiter nicht gegen ihre Marketingabteilung auf die Barrikaden?
Opel ist eine bewunderungswürdige Marke, die hervorragende Autos baut. Der Astra ist ein supersolides Volumenauto, der Insignia eine herausragende Limousine, der Ampera ein Durchbruch. Aber irgend jemand bei Opel scheint beschlossen zu haben: "Wir verraten es niemandem, sollen es die Leute doch selbst herausfinden."

Wie muss sich der Bochumer Opelaner fühlen, der im Monatsrhythmus hört, dass sein Arbeitsplatz noch ein bisschen unsicherer geworden ist, dass er auf noch mehr verzichten soll, wenn er im Fernsehen sieht, wie das, wovon seine Zukunft abhängt, vorsätzlich nicht verkauft wird?

Schlimmer noch: Wer wird denn entlassen, wenn am Ende des Quartals die Kasse nicht stimmt? Genau - der einzige, der seine Arbeit ordentlich gemacht hat - der einfache Arbeiter. Die Marketingmannschaft schwelgt derweil in Erinnerungen an die tollen Dreharbeiten. Irgendwann wird ja das nächste Modell kommen, das man nicht verkaufen muss.

Dass die Führung die Zukunft der einfachen Leute verschusselt, war in Algerien, Ägypten, Libyen und Griechenland der legitime Grund, auf die Straße zu gehen. Niemand könnte es den Arbeitern in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserlautern übel nehmen, täten sie das selbe.

Es wäre so leicht.
Opel ist eine solide, bodenständige, grundehrliche Marke, die ausgezeichnete Autos baut, die sich nicht verstecken müssen. Weder hinter albernen Ocean's Eleven-Abklatsch-Storys (Astra), noch hinter Mistery-Clips in Lomo-Optik (Insignia) und erst recht nicht hinter belanglosen Vergleichen (Ampera). Alles, was nötig ist, um Autos wie diese zu verkaufen, ist Respekt den Leuten gegenüber, die sie konstruiert und gebaut haben. Das – und der berechtigte Stolz auf die gemeinsame Leistung.

Alles, was man tun muss: Ganz einfach zeigen, wie das Auto aussieht, was es kann, und wie toll es ist. Das zu unterlassen, ist kein Fehler. Es ist ein Verbrechen.