Dienstag, 6. Januar 2015

Künstlersozialkasse. Oder: noch eine Regelung.

Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Unternehmer (bzw. Unternehmerin*), Inhaber eines Geschäftes oder eines Internet-Startups. Sie benötigen ein Logo für Ihre Firma, Visitenkarten oder einfach nur ein Werbefoto von Ihrem Produkt oder sich selbst, können die nötige Gestaltungsarbeit jedoch nicht selbst leisten.

Selbstverständlich lassen Sie diese Arbeiten NICHT schwarz von guten Bekannten erledigen. Sie beauftragen einen selbstständig arbeitenden Gestalter oder Fotografen und zahlen, was auf der Rechnung steht. Alles korrekt. Wirklich alles?

Nicht ganz – denn unter Garantie haben Sie vergessen, die Künstlersozialabgabe in Höhe von derzeit 5,2% (Stand 2015) des Nettobetrages an die Künstlersozialkasse zu zahlen.

Künstlersozialwas? Die Künstlersozialkasse ist ein Teil der gesetzlichen Sozialversicherung. Selbstständig arbeitende Künstler und Publizisten sind dort pflichtversichert und zahlen das Pendant zu den Arbeitnehmerbeiträgen. Der Arbeitgeberanteil wird vom Auftraggeber bzw. Verwerter bezahlt. Von Ihnen.

Wer Künstler und Publizist ist, wird dabei recht willkürlich definiert. Layouter und Art-Directoren gehören dazu. Reinzeichner und Bildbearbeiter nicht. Webdesigner ja - HTML-Programmierer nein. Die Künstlersozialkasse legt auch fest, wer als Auftraggeber gilt. Kurz gesagt: Jeder, der einen Künstler beschäftigt. Es sei denn er tut es zum Privatvergnügen. Sie mit Ihrem Logo, Visitenkarte oder Foto sind auf jeden Fall abgabepflichtig.

Man kann es gut finden, dass unser Staat hilft, 179.130 (vielleicht doch nicht ganz so) selbstständigen Künstlern und Publizisten Zugang zum Sozialsystem zu verschaffen. Man kann sich aber auch fragen, warum das für Künstler gilt, für andere Selbstständige jedoch nicht. Wer seinen Lebensunterhalt damit verdient, anderer Leute Gartenhecken zu schneiden, muss für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu 100% selbst sorgen. Wenn er statt dessen als bildender Künstler Buxbäume in Skulpturen verwandelt, genießt er die Vorzüge der Künstlersozialkasse. Wer auf Zimmerdecken Wolken und Engel malt, gehört dazu. Wer sie einfach nur weiß streicht, nicht.

Wer dann schon beim Fragen ist, kann sich über weitere Ungereimtheiten wundern:

So zum Beispiel wird die Künstlersozialabgabe auch für Leistungen von Künstlern fällig, die – aus welchen Gründen auch immer – gar nicht über die Künstlersozialkasse versichert sind. Solidarität oder Sozialismus?

Oder warum muss jede Rechnung eine Unzahl von Angaben enthalten, damit sie wirklich gültig ist. Der hilfreiche Hinweis „Achtung: Auf diesen Betrag müssen Sie 5,2% Künstlersozialabgabe abführen“ ist jedoch nicht vorgesehen.

Aber die KSK setzt noch (mindestens) einen drauf: Die Künstlersozialabgabe wird auf ALLE an selbstständige Künstler und Publizisten bezahlten Entgelte fällig. Dazu gehören auch sämtliche in den Rechnungen aufgeführten Nebenkosten. Wenn Sie Ihr Firmenlogo in Gold erstellen lassen wollen, und das Material (derzeit ca. 1.000 € pro Unze) auf der Rechnung des Künstlers auftaucht, müssen Sie auch 5,2% für das verwendete Gold bezahlen. Also: Lieber in Blei arbeiten lassen oder das Material selbst kaufen und so dafür sorgen, dass auf der Rechnung des Künstlers nur das Notwendigste, die Gage, steht.

„Oh verdammt!“ wird jetzt so mancher denken. „Ich habe zwar kein Firmenlogo aus Gold, aber eine Website, Visitenkarten, Flyer, Pressetext etc. gestalten lassen. Was soll ich tun?“ Derzeit werden jährlich ca. 70.000 Unternehmen überprüft, ob sie innerhalb der letzten 5 Jahre ihrer Zahlungspflicht nachgekommen sind. Das sind weniger als 10% aller in Frage kommenden Unternehmen. Sie können es also drauf ankommen lassen. Grob die Hälfte bleibt ungeprüft. Ansonsten sollten Sie bis zum 31.03. die Summe der im Vorjahr von Ihnen bezahlten Entgelte der Künstlersozialkasse melden. Sie können auch rückwirkend für die letzten 5 Jahre in (Nach-)Zahlungsbedarf anmelden. Im Zweifelsfall erhebt die KSK monatliche Versäumniszuschläge in Höhe von 1% des Rückstandes.

Was Sie auf jeden Fall tun sollten: Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater. Wichtiger jedoch: Machen Sie sich bewusst, dass Sie Teil einer Demokratie sind. In welche Richtung diese sich entwickelt, können Sie selbst mitbestimmen. Wissen und die Verbreitung von Wissen ist der erste Schritt, die Dinge zu ändern. Vielleicht sollten Sie sich auch gar nicht so viele Gedanken über die KSK im speziellen machen. Denken Sie vor allem darüber nach, ob es prinzipiell in Ordnung ist, wenn an allen Ecken staatlicherseits eingegriffen wird. Selbst wenn es einer vordergründig guten Sache wie der „Selbstständigkeit“ einiger Künstler und Publizisten dient.

* im Gegensatz zu vielen anderen ist mir der Unterschied zwischen grammatikalischem und biologischen Geschlecht bekannt und bewusst. Wer es unbedingt haben muss, darf sich an jede (grammatikalisch) männliche Wortform ein -in, ein Binnen-I, ein Herzchen oder sonst was drandenken. Ich tu’s nicht.